Der Ratschlag

Wann haben Sie das letzte Mal von jemandem einen Ratschlag erhalten? War dieser Rat hilfreich?

Hilflosigkeit ist unangenehm.

Uns Menschen fällt es schwer, auszuhalten wenn es unserem Gegenüber nicht gut geht. Wir fühlen uns hilflos, eingeschränkt und ausgeliefert. Das führt dazu, dass wir gerne in die Aktion gehen. Wir möchten helfen, wollen aktiv werden und möglichst rasch aus der unangenehmen Situation raus. Dieser Befreiungsschlag gelingt uns vermeintlich mit dem Ratschlag.

Der Ratschlag als Totschlag – Argument.

Für den Menschen in der schwierigen Situation gibt es aber kaum etwas schlimmeres, als ein vorschnell geäusserter Rat. Äusserungen wie: «Hast Du schon versucht….», «Du musst halt….», «Ich würde ja….», vermitteln dem unglücklichen Menschen den Eindruck, dass sein Problem ganz einfach zu lösen ist. Er nur in dieser Lage ist, weil er unfähig ist. Für den Menschen in der Herausforderung bedeutet ein schneller Ratschlag ein Tiefschlag und lässt ihn unmittelbar verstummen. Für den Ratenden ist damit das Ziel erreicht, er hat dem Menschen etwas geraten und dieser spricht nicht mehr von seiner Situation.

Der ultimative Rat.

Wenn wir von jemandem erfahren, dass es ihm nicht gut geht, dann tut uns das leid und wir möchten helfen. Leider können wir aber nicht davon ausgehen, dass das was uns in einer ähnlichen Situation geholfen hat, auch in der Situation unseres Gegenübers hilfreich ist – sei die Situation auch noch so vergleichbar. Wir alle sind sehr individuell und Lösungen funktionieren selten bei zwei Personen gleich gut. Dazu sind unsere Weltanschauungen und Erfahrungen viel zu unterschiedlich (Siehe dazu den Blog: Zeig mir Deine Welt). Was also für mich damals wunderbar funktioniert hat, kann für meine Freundin genau das falsche sein oder ihr einfach nicht entsprechen.

Begleiten_statt_ratenDer Ratschlag ohne Rat.

Was aber können wir dann tun, wenn uns die Lösung unter den Fingernägeln brennt? Wir vermeintlich ganz genau wissen, was unser Gegenüber jetzt dringend tun soll. – Wir können uns zurückhalten. Wir können zuhören, Verständnisfragen stellen und da sein. Eine der wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang ist: «Was hast Du denn bisher alles versucht?»

Damit ermöglichen Sie sich und Ihrem Gegenüber eine Entlastung. Sie wissen dann nämlich, was Sie alles nicht mehr vorschlagen brauchen und Ihr Gegenüber kann all seine Bemühungen aufzeigen. Er kann Ihnen mitteilen, dass er sehr wohl versucht hat aus der Situation zu kommen, nicht untätig war und sich auch nicht einfach hat fallen lassen.

So schlau war ich auch schon.

In den meisten Fällen werden Sie feststellen, dass Ihr Rat bereits versucht wurde. Dass das was Ihnen spontan zum Thema eingefallen ist, dem Gegenüber durchaus auch schon eingefallen ist. Oft kann Ihnen das Gegenüber auch sagen wieso diese Lösung nicht klappt oder nicht geklappt hat. Vergessen Sie nicht, wenn Ihnen ein Problem anvertraut wird, hat sich die Person bereits länger mit dem Problem auseinandergesetzt. Denn die weinigsten Menschen belasten ihre Mitmenschen gerne mit ihren Problemen. Wenn Sie an einer schwierigen Situation teilhaben dürfen, dann hat die Person die für sie möglichen Hilfestellungen bereits alle ausprobiert und möchte einfach nur ihre Hilflosigkeit teilen.

Hilflosigkeit teilen braucht Vertrauen.

Setzt Sie ein Mitmensch diesem ohnmächtigen Gefühl von Hilflosigkeit aus, in dem er mit Ihnen ein Problem teilt, zeigt er Ihnen grosses Vertrauen. Wir Menschen zeigen unsere Schwächen nur den Menschen die uns nahe sind. Wenn Sie dieses ausgelieferte Gefühl, dieses ohnmächtige Gefühl also spüren, nehmen Sie es als Zeichen dafür, dass Sie der Person wichtig sind. Das dieser Mensch Sie ausgewählt hat um die schwierige, belastende Situation mit Ihnen zu teilen. Er vertraut darauf, dass Sie ihn ernst nehmen, Sie verstehen werden und Sie mittragen können. Halten Sie sich fern von dem nachvollziehbaren Impuls, raten zu wollen. In schwierigen Situationen braucht es Verständnis und keinen Ratschlag.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie dem Impuls zum Handeln Einhalt gebieten können und Sie Vertrauen darauf haben, dass Sie die Situation nicht verschlechtern, wenn Sie Ratlos sind.